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Hoffnungsbrief Nr. 9

Eingang: 19.05.2020, Veröffentlicht: 19.05.2020

Hoffnungsbrief Nr. 9
Foto:Ladwig


Liebe Gemeinde,

früh am Morgen ist es in meinem Heimatdorf Sehlde so still, dass die Rehe bis an meinen Garten herankommen. Ein friedli-
cher Anblick ist das, wie sie da stehen und äsen und nur ab und zu den Kopf heben, um zu meinem Haus herüber zu schauen.
Ich liebe diese Stille am Morgen. Kein Telefonklingeln, kein Stimmengewirr. Niemand, der etwas von mir will oder auf die Schnelle noch eine Frage hat. Ich brauche diesen ruhigen Tagesbeginn, um nach dem Schlaf wieder in mir anzukommen.

Ob es im Himmel wohl jemals so still ist? Ob Gott auch solche Momente der Ruhe genießt? Ich kann es mir nicht vorstellen. Irgendwo auf der Welt wird immer jemand sein, der seine Gedanken im Gebet zu ihm hinauf schickt und darauf vertraut, dass Gott hört. Immer wird da irgendwo eine sein, die Gott ihre Not vor die Füße wirft und ihm ihre Sehnsucht ans Herz legt. Und Gott? Gott hört. Er hört jede einzelne Stimme aus diesem großen Chor an Stimmen, der tagtäglich, Stunde um Stunde, Minute um Minute, zum Himmel klingt.

Exaudi-so heißt dieser Sonntag. Exaudi: Höre! Höre meine Stimme, Gott, wenn ich zu dir rufe (Psalm 27,7). Es ist für uns mit unserem beschränkten Hörvermögen und unserer noch beschränkteren Auffassungsgabe schwer vorstellbar, wie das funktionieren kann. Und viele Menschen verzichten dann auch ganz darauf, zu Gott zu beten, weil sie sich sicher sind, dass er sie ohnehin nicht hört.

Vielleicht liegt ein Teil unseres menschlichen Problems mit dieser Frage aber auch daran, dass wir “hören” oft mit “erhören” gleichsetzen.; “erhören” im Sinne von “erfüllen”. Sicher ist: nicht jedes Gebet wird so erhört, dass sich das Gebetsanliegen erfüllt. Das habe ich selbst oft genug erfahren, und ich weiß, wie weh das tut: wenn man um Heilung bittet und der geliebte Mensch stirbt trotzdem. Wenn man um Frieden bittet und den Streit und den Unfrieden nicht mal von der eigenen Familie fernhalten kann.

Aber auch wenn sich meine Hoffnungen nicht alle erfüllen, bin ich mir sicher: Gott hört meine Gebete. Er weiß , was mich bewegt, kennt meine Gedanken, bevor ich sie zu Ende gedacht habe. Er versteht mich-tiefer und bedingungsloser als ein anderer Mensch das jemals könnte. Ja: er mutet mir mein Leben zu, und zu diesem Leben gehören auch die Erfahrungen, die mich an meine Grenzen bringen und darüber hinaus.
Aber er gibt mir auch die Kraft, weiterzuleben nach enttäuschten Hoffnungen, und deshalb bleibe ich im Gespräch mit ihm. Und Gott? Gott hört, und manchmal, wenn es ganz still um mich ist, kann ich seine Antwort in mir spüren.

Herzlichst, Ihre Zwischenzeit-Pastorin
Anne-Christin Ladwig
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